Therapie

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12.03.2021

Die aktive Trainingstherapie

Die aktive Trainingstherapie

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Mehr Nachhaltigkeit für den Patienten!

Nachhaltigkeit – nicht nur ökologisch gesehen spielt das Wort eine immer größer werdende Rolle. Im Alltag werden wir oft daran erinnert, endliche und begrenzte Ressourcen zu sparen, um sie nicht zu sehr zu belasten. Ähnlich trifft diese Analogie auch auf die Physiotherapie zu: Wenn wir es schaffen, bei unseren Patienten einen nachhaltigen Therapieerfolg zu implementieren, schonen wir unsere „Ressource“ Physiotherapeut und können noch mehr Patienten noch schneller unsere Leistung zur Verfügung stellen. Doch das bedeutet ein Umdenken in den Prozessen der Physiotherapie.

Laut Umfragen aus meiner Tätigkeit als Sachverständiger für Gesundheitsanbieter erreichen nur 14 Prozent der Patienten einen nachhaltigen Therapieerfolg durch die physiotherapeutische Behandlung. 86 Prozent der Patienten haben hingegen nur einen geringen oder sogar gar keinen nachhaltigen Therapieerfolg und stehen viel schneller wieder auf der Matte der Praxis, als es den Therapeuten lieb ist.

Doch woran liegt das? Sind die Maßnahmen der Physiotherapie nicht wirkungsvoll genug?

Engpass 1: Zeit

An den Maßnahmen liegt es keineswegs. Die Rahmenbedingungen für den Patienten, die Therapeuten und die Praxis lassen oftmals keine andere Möglichkeit als eine Symptombehandlung der Patienten zu.

Wer einmal im vom Krankenkassensystem vorgegebenen Zeitintervall gearbeitet hat, weiß, dass in 20 Minuten weder ausreichend Zeit für eine tiefgehende Ursachenanalyse noch für eine adäquate Behandlung und Befundung geben ist. Unter diesen Bedingungen braucht man auch nicht um den heißen Brei herumzureden: Ein nachhaltiger Therapieerfolg ist damit nur schwer umzusetzen.

Engpass 2: Eigenverantwortung

Der zweite Engpass liegt nicht beim Therapeuten, sondern beim Patienten. Viele meiner Kollegen – genauso wie ich in meinen jungen Jahren als Therapeut – geben den Behandelten fleißig Hausaufgaben mit auf den Weg. Die Bitte ist immer gleich: „Bitte führen Sie diese zusätzlich zur Therapie zu Hause durch.“

Die Realität zeigt jedoch, dass eine eigenständige Umsetzung bei den Patienten zu Hause nur selten geschieht. Ich habe dafür durchaus Verständnis: Die so wichtige Verhaltensveränderung im Alltag ohne fremde Hilfe durchzuführen würde mir genauso schwerfallen, wenn es sich nicht um mein berufliches Fachgebiet handeln würde.

Mir legt zum Beispiel mein Zahnarzt immer nahe, zusätzlich zum Zähneputzen täglich Zahnseide und regelmäßig Mundspülung zu benutzen. Auch ich bin hier nicht konsequent. Ähnlich geht es unseren Patienten. Die notwendige Eigenverantwortung für die Verhaltensveränderung fehlt.

Jetzt, wo wir die beiden Engpässe genauer definiert haben, können wir Abhilfe schaffen.

Lösung 1: Mehr Zeit = Mehr Erfolg

Um das Problem der Ressource Zeit zu lösen, müssen wir als Therapeuten genauso wie als Praxis im Gesamten die Patienten besser aufklären.

Es ist wichtig, dass unsere Kunden verstehen, dass die Grundversorgung durch die Krankenkasse oft nicht mehr als einen „ausreichenden“ Behandlungserfolg vorsieht. Um hier § 12 SGB V (1) zu zitieren: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“

Das Wort „ausreichend“ kenne ich nur zu gut aus dem Deutschunterricht meiner Schulzeit: Es entspricht einer Note 4. Ein optimaler und nachhaltiger Behandlungserfolg ist so per Definition schon schwierig umzusetzen. Deshalb muss eine systematische Empfehlungsstruktur für Rezeptionisten und Therapeuten etabliert werden, um diejenigen Patienten, die den Bedarf und den Wunsch nach mehr Therapiezeit haben, diesen auch zur Verfügung stellen zu können.

Natürlich höre ich jetzt wie so oft: „Unsere Terminbücher sind doch schon voll.“ Das stimmt. Nichtsdestotrotz ist es möglich, Patienten mit zusätzlicher Behandlungszeit zu versorgen. Das erlebe ich tagtäglich. Und aus der Erfahrung von über 100 Therapie-Praxen buchen über 60 Prozent der akuten Neupatienten diese Möglichkeit eines „besseren“ Therapieerfolgs durch mehr Zeit mit dem Physiotherapeuten auch dankend hinzu. Sie müssen nur optimal über ihren Nutzen aufgeklärt werden.

In der Praxis hat der Therapeut dann anstelle von beispielsweise 6 x 20 Minuten nun 6 x 40 Minuten mit dem Patienten Zeit. Das ermöglicht nicht nur eine bessere Ursachenanalyse, sondern schafft gleichzeitig die Grundpfeiler für die Nachhaltigkeit des Behandlungserfolgs: die aktive Trainingstherapie. Denn in dieser zusätzlichen Zeit können jetzt die sonst so selten umgesetzten Hausaufgaben nun direkt mit dem Patienten trainiert und als Routine eintrainiert werden. Die Chance für einen langfristigen Therapieerfolg steigen.

Lösung 2: Eigenverantwortung unter Anleitung

Die Eigenverantwortung des Patienten kann durch die zusätzliche Behandlungszeit also dahingegen unterstützt werden, dass gemeinsam mit ihm die Routinen „eintrainiert“ werden. Denn sobald das Rezept „abgearbeitet“ und der Patient alleine seinem Alltag ausgesetzt wird, können diese Trainingsroutinen schnell wieder verschwinden.

Die Ursache liegt darin, dass der Zeitraum der verhaltensverändernden Maßnahmen unter Anleitung oft zu gering ist. Und genau hier greift der nächste wichtige Step für einen nachhaltigen Therapieerfolg: die Empfehlung der Durchführung einer aktiven Trainingstherapie als Selbstzahlerleistung.

Der Großteil der modernen Physiotherapie-Praxen hat dies schon erkannt und einen attraktiven Trainingsgerätepark in der Praxis etabliert. Doch wichtig ist es nun, diesen auch den Patienten strukturiert zu empfehlen. Gerade nach der therapeutischen Behandlung muss es für Patienten eine Möglichkeit geben, die aktive Trainingstherapie unter fachkundiger Anleitung genauso außerhalb der Rezeptverordnung durchzuführen, damit hier ein direkter Anschluss an die Therapie ermöglicht werden kann.

So haben die Patienten gemeinsam mit dem Physiotherapeuten wieder die Chance, sich die so wichtige Eigenverantwortung für ein aktiveres Leben unter Anleitung noch stärker „anzueignen“. Somit werden aus Patienten Fans, welche liebend gerne regelmäßig in Ihre Praxis kommen, um ihre Gesundheit souverän und selbstbestimmt nachhaltig zu managen.

 Thomas Kämmerling


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